Ein Grund für den Wandel ist, dass sich in letzter Zeit die Machtverhältnisse zwischen Angestellten und Arbeitgebern verschoben haben. Viele Tech-Konzerne wuchsen während der Pandemie so rasant, dass sie gar nicht schnell genug neue Mitarbeiter einstellen konnten, und führten grosszügige «Work from Anywhere»-Regelungen ein. Einige Unternehmen warben mit der Viertagewoche bei gleichem Lohn; andere, wie Meta und Airbnb, positionierten sich neu als «Remote first»-Firmen.
Doch damit ist nun Schluss. In den USA zeichnet sich eine Rezession ab, und bei vielen Konzernen, allen voran Big Tech, brachen jüngst die Gewinne ein. Bei Salesforce, Amazon und Disney kamen die Ankündigungen zur neuen Präsenzpflicht, kurz nachdem sie Tausende Mitarbeiter entlassen hatten.
Auch in dem professionellen Netzwerk Linkedin zeigt sich, dass das Angebot an «remote jobs» sinkt. Machten derartige Stellenausschreibungen im März 2022 noch gut 20 Prozent aus, waren es im Januar noch 13 Prozent. Damit einhergehend stieg jüngst auch die Belegungsrate in Büroräumen: Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie erreichte sie im Januar in den zehn grössten Städten der USA wieder 50 Prozent. Sie fluktuiert aber stark im Verlauf der Woche: Dienstag und Mittwoch haben sich als die Tage durchgesetzt, an denen die meisten Firmen ihre Angestellten wieder im Büro haben wollen.
Doch wer glaubt, dass der Arbeitsmarkt nach der Pandemie nun wieder so aussehen wird wie vorher, der dürfte sich irren.
Nicholas Bloom, Ökonom der Stanford-Universität, weist darauf hin, dass sich das Umfeld in den USA enorm zugunsten von Homeoffice verändert habe. Bloom forscht seit zwanzig Jahren zu flexiblen Arbeitsformen. Er verweist auf Langzeitstudien, gemäss denen der Anteil der Arbeitstage, die Amerikaner im Homeoffice verbringen, vor der Pandemie bei gerade einmal 5 Prozent lag; über vierzig Jahre hinweg hatte dieser kaum zugenommen. Im März 2020 sei die Zahl dann auf mehr als 60 Prozent gesprungen und habe sich nun bei rund 30 Prozent eingependelt. «Bei diesem Wert dürfte es auch in Zukunft bleiben», sagte Bloom jüngst in einem Podcast der Stanford-Universität. Zwei, drei Tage im Büro arbeiten, zwei, drei Tage von zu Hause – das sei die neue Norm.
Für Blooms These spricht auch eine jüngst veröffentlichte Umfrage des Flex Index der Softwarefirma Scoop unter mehr als 3000 amerikanischen Firmen: So soll die Hälfte zwar wieder die Präsenzpflicht eingeführt haben, vor allem für niedrigqualifizierte Arbeiter. Doch gut 20 Prozent verfolgten ein hybrides Arbeitsplatzmodell, und 30 Prozent erlaubten den Angestellten weiterhin, komplett von zu Hause zu arbeiten. Es scheint, als habe die Mehrheit der amerikanischen Firmen erkannt, dass die Zeiten der fünf Tage im Büro von 9 bis 17 Uhr vorbei sind.
Nicht nur Arbeitnehmer schätzen Homeoffice – auch aus Sicht der Firmen spricht einiges für ein hybrides Arbeitsplatzmodell. Die Mitarbeiter sind zufriedener. In einer von Bloom mitgeleiteten Studie sank die Rate, mit der Angestellte kündigten, um 35 Prozent, wenn eine Firma regelmässig Homeoffice erlaubte. Mitarbeiter schätzten die Flexibilität, an zwei oder drei Tagen von zu Hause aus arbeiten zu dürfen, gar so sehr wie eine Gehaltserhöhung um 5 Prozent.
Gleichzeitig zeigen mehrere Untersuchungen, dass Homeoffice die Produktivität der Angestellten leicht steigert – um wie viel genau, unterscheidet sich jedoch von Studie zu Studie. Bloom schätzt das Plus auf 3 bis 5 Prozent.
Zudem spart man im Homeoffice Zeit ein, die sonst fürs Pendeln benötigt wird. In den USA sind das gemäss einer im Januar veröffentlichten Untersuchung im Schnitt 55 Minuten täglich – wobei sich die Ersparnis je nach Landesregion enorm unterscheidet. Die gute Nachricht für die Arbeitgeber: 40 Prozent dieser eingesparten Zeit, also gute 20 Minuten, verbringen die Amerikaner länger mit Arbeiten.
Quelle: Marie-Astrid Langer, «Neue Zürcher Zeitung», 06.03.2023 (hinter der Bezahlschranke)
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